In der globalen Modeindustrie versprechen Handelsabkommen Wachstum und Arbeitsplätze – aber zu welchem Preis? Der Fall der Textilgewerkschaft NGWF (National Garment Workers Federation) in Bangladesch offenbart die Schattenseiten des internationalen Handels: Während europäische Marken von niedrigen Produktionskosten profitieren, geraten Arbeiter und Gewerkschafter zunehmend unter Druck.
Am 12. März 2025 wurden führende Mitglieder der NGWF, darunter Generalsekretär Kabir Hossain, ohne Anklage festgenommen, nachdem die Gewerkschaft sich in einer Auseinandersetzung mit der Polo Composite Knit Industry engagiert hatte. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung mit der Polo Composite Knit Industry – einem Zulieferer der AJI Group – wegen ausstehender Löhne.
Statt Dialog hatte die Unternehmensleitung der Polo Composite Knit Industry auf Gewalt gegen ihre eigenen Mitarbeitenden gesetzt: Schlägertrupps verwüsteten das Gewerkschaftsbüro, begleitet von Polizeieinheiten. Für Beobachter ein gezielter Akt der Einschüchterung.
Profit mit System
Internationale Marken wie Kappa, Lidl oder Carrefour haben laut NGWF enge Geschäftsbeziehungen zu den betroffenen Fabriken. Andere Unternehmen wie C&A oder Primark distanzierten sich von ihnen – allerdings erst nach öffentlicher Kritik. Diese Reaktionen zeigen auf, dass Druck von außen wirkt. Doch freiwillige Selbstverpflichtungen erweisen sich als unzureichend, solange wirtschaftliche Interessen die Einhaltung von Arbeitsrechten systematisch konterkarieren.
Ein zahnloses Gesetz?
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sollte genau solche Missstände vorbeugen. Es verpflichtet Unternehmen dazu, Risiken zu analysieren, Missstände zu beheben und über deren Maßnahmen öffentlich zu berichten. Doch das Gesetz steht auf der Kippe, manche politischen Kräfte fordern bereits seine Abschaffung zugunsten „wirtschaftlicher Freiheiten“.
Berndt Hinzmann von der entwicklungspolitischen Organisation INKOTA warnt: „Die Rückkehr zu Handelsvorteilen ohne soziale Standards ist nicht zukunftsfähig.“ Ohne ein internationales, verbindliches Lieferkettengesetz drohe eine Spirale des Lohndumpings. Produktionsländer wie Bangladesch konkurrieren mit geringen Kosten, während Menschenrechte auf der Strecke bleiben.
Widerstand wächst – aber unter hohem Risiko
Die NGWF ist eine der größten und aktivsten Textilgewerkschaften Südasiens. Sie steht für Lohntransparenz, Arbeitsrechte und die Möglichkeit gewerkschaftlicher Organisation. Genau das macht sie zur Zielscheibe. Internationale Beobachter berichten von systematischer Repression – und von der Notwendigkeit, internationale Solidarität zu stärken.
Die Frage an Europa
Wie weit darf ein T-Shirt für 4,99 Euro gehen? Mode ist längst zu einem Politikum geworden. Für Konsument:innen ist es schwer zu erkennen, welche Standards ein Produkt tatsächlich erfüllt. Doch eines ist klar: Solange Arbeitsrechte in Produktionsländern unterdrückt und Gesetze in den Importländern aufgeweicht werden, sichern Handelsvorteile keineswegs den Wohlstand aller, sondern verstärken im Gegenteil die globale Ungleichheit.
INFO: NGWF – Stimme der Textilarbeiter in Bangladesch
Die National Garment Workers Federation (NGWF) ist eine der ältesten und größten unabhängigen Textilgewerkschaften in Bangladesch. Sie wurde 1984 gegründet und vertritt heute über 111.000 Mitglieder; überwiegend Frauen, die in der Bekleidungsindustrie arbeiten.
Ziele der NGWF
- Durchsetzung von existenzsichernden Löhnen
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Textilfabriken
- Schutz der Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen
- Unterstützung bei Arbeitskonflikten, Lohnforderungen und Missbrauchsfällen
- Aufklärung und Schulung zu den Rechten von Arbeitskräften.
Aktuelles Problem
Seit Jahren steht die NGWF unter massivem Druck von Arbeitgebern und staatlichen Stellen. Festnahmen, Bedrohungen und gewaltsame Übergriffe gehören zum Alltag ihrer gewerkschaftlichen Aktivität. Trotz Repressionen bleibt sie in einem der wichtigsten Textilproduktionsländer der Welt eine zentrale Kraft im Kampf um faire Arbeitsbedingungen.
Kontakt und weitere Infos:
🌐 www.ngwfbd.com
📍 Sitz: Dhaka, Bangladesch
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